Wer sich verletzt, strebt nach Heilung. Dabei ist es egal, um welche Form von Verletzung es sich handelt; und nicht ganz so egal, welche Form der Heilung Anwendung findet. Bei einem eindeutig körperlichen Leiden gehen wir meistens zum Mediziner. Zum Beispiel bei einer tiefen, großen Schnittwunde. Bei einer Alkoholproblematik wird wohl eher ein entsprechender Therapeut eine Hilfe sein. Und bei einer seelischen Verletzung? Da können nahestehende Vertraute und bei Bedarf Sozialarbeiter, Pfarrerinnen und andere Professionelle zu Rate gezogen werden.
Während die Heilstrategien (Arzt aufsuchen etc.) abhängig von der jeweiligen Verletzung sind, ist ein Kernprinzip von Heilung über alle Formen hinweg gleich: nämlich dass Heilung immer genau dort geschieht, wo die Verletzung ist. Das bedeutet, dass der verletzte Teil sich im Idealfall wieder in einen gesunden Zustand versetzt und diesen aufrecht erhalten kann [1]. Und damit das gelingen kann, ist in einigen Fällen die Unterstützung von außen angezeigt: Beispielsweise wenn ein Knochenbruch geschient wird, damit er wieder gut zusammenwächst oder wenn eine suchtkranke Person vom Fachmann Methoden lernt, mit der Sucht umgehen zu können. Oder wenn einer überlasteten Familienmutter ein Helfer zur Verfügung steht, der ihr zuhört, Anteil nimmt und einen Raum schafft, in dem sie neue Kraft und Perspektiven tanken kann.
Daraus dürfen wir für die sozialen Berufe folgern, dass wir nicht für die Heilung eines belastenden Zustands oder gar “einer Person” verantwortlich sind, sondern lediglich für den professionellen Einsatz des uns zur Verfügung stehenden Instrumentariums.
Wo liegt also unsere Verantwortung und warum ist das eigentlich für die Psychohygiene wichtig?
- Es ist wichtig, dass wir wissen, was wir leisten können:
- Das bedeutet zum einen, dass wir unseren Handlungsrahmen kennen und einhalten. Beispiel: Eine Familienhelferin soll die Kundschaft in Erziehungsfragen unterstützen, nicht aber medizinische Pflege des in der Familie lebenden Großvaters übernehmen. Zusätzlich dürfen wir uns klar von Aufgaben abgrenzen, die nicht unsere sind: “Nein, ich werde nicht Ihre Schuldenunterlagen für Sie sortieren. Ich helfe Ihnen stattdessen dabei, es selbst zu machen.” Das hilft uns selbst, weil wir uns vor einer Überforderung (Prävention) schützen.
- Weiter heißt das, im Rahmen einer Differentialdiagnostik an geeignete Helfersysteme zu vermitteln: Im obigen Beispiel stellt die Familienhilfe einen Kontakt zur Pflegeberatung her. Dies entlastet uns, weil wir keine zusätzlichen Baustellen für uns aufmachen und wir die Hilfeleistung auf mehrere Schultern verteilen (Linderung von Belastungserleben).
- Und es bedeutet, dass wir unsere Profession fachlich und persönlich ausbauen: inhaltliche Fort- und Weiterbildungen stärken unsere Handlungskompetenz (Rollenklarheit und Selbstwirksamkeit) und die Persönlichkeitsarbeit mit uns selbst vergrößert unsere Selbstsicherheit (Selbstwertgefühl)
- Es ist genauso wichtig, dass wir leisten, was wir leisten können:
- Offen zu bleiben für neue Sichtweisen bedeutet, dass wir uns und der Klientin stets die Chance geben, geeignete Lösungen zu finden. Dies schützt uns vor grauem Alltagstrott, Resignation und einer inneren Kündigung (Prävention).
- Wenn wir es schaffen, innerhalb unseres Aufgabenrahmens(!) engagiert zu bleiben und “alles was geht” zu unternehmen (solange nicht klar wurde, dass der Klient gar kein Anliegen hat!), steigern wir die Chance auf Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugung bei uns uns selbst.
- Mitgefühl und Anteilnahme als eine unserer Expertisen und als zweischneidiges Schwert für die eigene Psychohygiene sollte immer auch von der guten Seite betrachten werden: Wir müssen nicht nur das Leid der Klienten wahrnehmen und transformieren sondern dürfen auch mit ihnen lachen, uns von ihrem Handeln beeindrucken lassen und positive Emotionen erleben.
- Wir aus der sozialen Zunft wissen sehr gut, dass wir nichts und niemanden “heilen”.[↩]