Der Aufenthalt in der Natur ist in der Regel mit angenehmen Gefühlen verbunden. Egal, ob man die Mittagspause im Park verbringt oder man einen Urlaub auf Island macht: Viele Menschen suchen regelmäßig den Kontakt zur Natur, weil er sie (mehr oder weniger bewußt) erfüllt. Selbst Bilder von Landschaften haben meistens einen beruhigenden Effekt auf uns. Selbst therapeutisch wird der Naturaufenthalt heute gezielt eingesetzt: Denken Sie an Erlebnispädagogik, Burnout-Therapie oder die Suchttherapie auf dem Bauernhof. Wirklich verwunderlich ist das nicht, schließlich sind auch wir Menschen nur ein Aspekt der Natur und damit zugehörig.
Die positive Bedeutung für den menschlichen Organismus (körperlich und seelisch) ist heute umfassend belegt, zum Beispiel in der japanischen Sitte des “Waldbadens”[1]
Nach Roger Ulrich[2] ist der therapeutische Effekt und das Wohlbefinden in bestimmten natürlichen Umgebungen evolutionsbiologisch zu erklären. Demnach sind beim Aufenthalt in der Natur Bereiche im Gehirn aktiv, die eine schnelle Bewertung der Umgebung nach Sicherheitsaspekten ermöglichen. So ist es nach dieser Theorie in Urzeiten notwendig gewesen, rasch einen sicheren Ort auszumachen, um sich vom Kräfte zehrenden Alltag erholen zu können. Der so hergeleitete Zusammenhang von Natur und Ausruhen (Heilen) bestehe demnach bis heute und finde sich im heutigen subjektiven Wohlbefinden beim Aufenthalt in der Natur wieder.
Grahn et. al.[3] identifizieren acht Wirkmechanismen der Natur auf die seelische Gesundheit des Menschen.
- Gelassenheit: Ort der Ruhe und des Friedens, keine störenden Einflüsse
- Natur: Faszination für das Phänomen des Lebens, das keinen menschlichen Einfluss benötigt
- Artenvielfalt: Faszination für die vielfältigen Formen von Leben
- Raum: Eine auf die eigenen Handlungen beruhigend wirkende Umgebung
- Perspektive: Aussichten; ein Ort, um den Blick schweifen zu lassen
- Zuflucht: Ein Ort der Sicherheit und des Rückzugs
- Sozial: Treffpunkt für Menschen und Ort für Festivitäten
- Kultiviertheit: Versinnbildlichen menschlicher Werte in Form von angelegten Gärten.
Vielleicht erkennen Sie Ihre persönlichen Verbindungen zur Natur ja in der obigen Aufzählung wieder?
Mit Klienten mache ich immer mal wieder ausgedehnte Spaziergänge im Wald. Mit erstaunlichem Effekt: Nach ca. 1 Stunde tritt eine sichtbare Veränderung bei meiner Begleitung ein: Die Stimmung wird gelöst, das Gespräch wird offen und die Themen sind weniger maskiert. Der Wald scheint ein Ort zu sein, der als geschützter Rahmen die Auseinandersetzung mit emotionalen Erlebnisinhalten erleichtert.
Fußnoten- Hansen, Margaret M., Reo Jones, und Kirsten Tocchini. „Shinrin-Yoku (Forest Bathing) and Nature Therapy: A State-of-the-Art Review“. International Journal of Environmental Research and Public Health 14, Nr. 8 (28. Juli 2017): 851.[↩]
- Ulrich, Roger S. „Aesthetic and Affective Response to Natural Environment“. In Behavior and the Natural Environment, herausgegeben von Irwin Altman und Joachim F. Wohlwill, 85–125. Boston, MA: Springer US, 1983.[↩]
- Grahn, Patrik, Carina Tenngart Ivarsson, Ulrika K. Stigsdotter, und Inga-Lena Bengtsson. „Using Affordances as a Health-Promoting Tool in a Therapeutic Garden“. In Innovative Approaches to Researching Landscape and Health: Open Space: People Space 2, von Catherine Ward Thompson, 1. Aufl. Routledge, 2010. https://doi.org/10.4324/9780203853252.[↩]