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Zusammenhang von Selbstwirksamkeit und Psychohygiene

Viele Menschen in sozialen Berufen engagieren sich über ihre eigentliche Tätigkeitsbeschreibung hinaus. Man könnte vermuten, dass dies ein unbedingter Faktor für Burnout ist. Doch das stimmt nicht zwingend. Folgendes Beispiel soll verdeutlichen, inwiefern ein solches Engagement auch das Gegenteil bewirken kann, wenn das Maß stimmt.

In der Arztpraxis

Eine Frau berichtet von ihrer Arbeit als Assistentin eines niedergelassenen Arztes. Viele Jahre war sie als Sprechstundenhilfe tätig. Mit einem Funkeln in den Augen erzählt sie von den früheren Jahren, wie sie mit dem Arzt Hand in Hand gearbeitet hat. Während er die Patienten behandelt hat, hat sie sich um alles gekümmert, was angefallen ist: Menschen empfangen, Praxismanagement, Verwaltung. Dazu gehörte auch, sich Zeit für die Patienten zu nehmen, die im Wartezimmer saßen, sich ihre Sorgen anzuhören und beruhigend auf sie einzuwirken. Immer wieder sei es auch zu Notfällen gekommen, in der sie eine Erstversorgung leisten musste. Das habe sie alles immer gerne gemacht. Sie habe manchmal auch auf Pausen verzichtet und das habe sie nicht bekümmert, denn es sei ihr wichtig gewesen, am Ende des Tages das Gefühl zu haben, dass ihre Patienten gut versorgt gewesen waren. Der Arzt hätte genauso gehandelt und das habe sie angetrieben.

Arztwechsel

Es kam der Tag, an dem Arzt die Praxis an eine junge Nachfolgerin übergab. Die Mitarbeitern wurde in die neue Praxis übernommen. Mit der neuen Ärztin kamen die Veränderungen. Alles wurde hektischer und engmaschiger, die Frau bekam das Gefühl, dass es nicht mehr primär um die Behandlung der Patienten ging, sondern vielmehr um die Einhaltung der Organisationsstruktur und der Arbeitszeiten. Patienten wurden weggeschickt, weil die Mittagspause sonst ins Wasser gefallen wäre. Eine emotionale Fürsorge der Patienten war plötzlich nicht mehr möglich.

Dies bekümmerte die Frau sehr und sie merkte, dass Sie das so sehr belastete, dass Sorge hatte, sie könne daran erkranken. Also ergriff sie die Möglichkeit, in den Vorruhestand zu gehen.

Analyse

Formal betrachtet könnte man zum Schluss kommen, dass es doch eigentlich im Sinne der Mitarbeiterin sein müsste, wenn die Ärztin mehr auf die Einhaltung der Sprechzeiten beharrt. Da das in der Lebenswelt der Mitarbeiterin jedoch nie ein Leidensthema gewesen war, ergab sich daraus für sie auch kein Gewinn. Im Gegenteil: Die neuen Strukturen wirkten auf die Frau wie ein Korsett, das sie daran gehindert hat, ihrem persönlichen Ideal zu entsprechen: „Ich will, dass meine Patienten gut versorgt sind“. Gleichzeitig hatte sie früher das Erleben, dass Ihre Arbeit bedeutsam ist, denn sie konnte die Erfolge ihres beruflichen Engagements über das Feedback der Patienten sehen und für sich annehmen. Das wiederum motivierte sie, sich weiter zu engagieren.Die neuen Bedingungen behinderten diesen emergenten Prozess. Entmutigung und schließlich Resignation waren die Folge.

Bewertung

Dieses Beispiel verdeutlicht die Bedeutsamkeit von zwei Faktoren der Psychohygiene: Während das Selbstkonzept (Mir ist wichtig, dass die Patienten immer gut versorgt sind) hier den Grundstein für die Motivation zu einer engagierten Arbeitsweise legt, bildet das Erleben von Selbstwirksamkeit (ich habe gemerkt, wie unsere Patienten sich bei uns gut versorgt fühlen) den Motor, mit dem dieses Engagement aufrechterhalten wird. Diese gerät ins Wanken, wenn z.B., wie oben beschrieben, das Gefühl von Handhabbarkeit wegfällt, weil die geänderten Rahmenbedingungen die Erfüllung der Aufgaben, die man sich selbst gestellt hat (Patienten, die sich gut versorgt fühlen) behindern.